Gedanken über Europa von Hans Müller

Hans Müller, langjähriger Arbeitsgruppenleiter Vereinsgeschichte der EUROPA-UNION Heilbronn, hat, angeregt von Äußerungen des Präsidenten der EUROPA-UNION Deutschland, den folgenden Beitrag verfasst. Auch diesen Beitrag können Sie in unserem Forum kommentieren und diskutieren.

Gedanken zu Europa

Rainer Wieland (MdEP), der Präsident der Europa-Union Deutschland, hat seine Betrachtung in der jüngsten Ausgabe der Zeitschrift „Europa aktiv“ überschrieben mit der Frage „Neugründung oder Reform?“  Eine Frage, über die man lange und intensiv diskutieren kann.  Doch wir sollten uns nicht zuviel Zeit nehmen um Antworten auf diese Frage zu suchen.  Ich kann mir nicht vorstellen, dass die nach dem Brexit verbliebenen 27 EU-Mitgliedsstaaten einen großen Wurf und ein neue Grundlage für die EU schaffen könnten, die demokratischer legitimiert, sozialer, bürgernäher und europäischer wäre als die jetzigen Grundlagen der Verträge von Lissabon.  Eine Reihe von Mitgliedsstaaten – ich denke dabei u.a. an Polen und Ungarn – würden sich freuen, der künftigen EU mehr „nationalen“ Geist einzuhauchen.  Es muss in allernächster Zeit eher darum gehen, den Auftrag in der Präambel des EU-Vertrags, die „Schaffung einer immer engeren Union der Völker Europas“ schrittweise voranzubringen, wann immer dies möglich ist.

Drei Blickwinkel auf die EU

Das Zusammenwachsen Europas zur späteren Europäischen Union war für die sechs Gründerstaaten und für die, die später dazukamen, stets eine Verheißung für eine friedliche und bessere Zukunft.  Doch die EU ist auch heute noch nicht perfekt.  Ich will die bisherige Entwicklung und die Zukunft des europäischen Integrationsprozesses aus drei Blickwinkeln betrachten.

Der pessimistische Blickwinkel

Zunächst sei erinnert an die Finanzkrise und daran, wie Griechenland dabei „behandelt“ wurde.  Die Retter verordneten den Griechen eine Therapie, die sie in ihren eigenen Ländern ihren Bürgerinnen und Bürgern nicht hätten zumuten können.  Die Ergebnisse in Griechenland sind bekannt:  Hohe Arbeitslosigkeit vor allem unter jungen Menschen, ein ausgeblutetes Gesundheitssystem und eine Einstellung gegenüber der EU, die man nicht gerade als Europabegeisterung beschreiben kann.  Als zynisch habe ich damals empfunden, von den sog. „faulen Griechen“ auch noch Dankbarkeit für diese Art der Rettung zu erwarten.

Das zweite Beispiel für den „pessimistischen Blick“:  Als nach Jahren der Selbstbeschäftigung in Europa der französische Präsident Emmanuel Macron eine Reihe von Vorschlägen machte, um den eingerosteten Integrationsprozess wieder in Gang zu bringen, traf er fast allenthalben auf „beredtes Schweigen“.  Auch in Deutschland wussten viele Politiker sofort, was man nicht wollte.  Macrons Vorschläge liegen noch immer auf dem Tisch.

Der gemischte Blickwinkel

Beispielhaft genannt sei hier die Flüchtlingskrise und ihre Folgen.  Es war selbstsüchtig, wie die Staaten ohne Außengrenzen Griechenland, Italien und Spanien im Regen stehen ließen und auf die Dublin-Regelungen verwiesen. Doch es besteht Hoffnung dass sich nicht zuletzt mit dem Druck der Bilder aus den Lagern auf den griechischen Inseln endlich solidarische Schritte getan werden.  Das jüngst Urteil des EuGH gegen Polen, Ungarn und Tschechien macht ebenfalls Hoffnung.  Die drei Ländern, denen der EuGH bescheinigt hat, gegen EU-Recht verstoßen zu haben, erklären zwar, die Sache sei für sie erledigt – die ungarische Justizministerin erklärte, das Urteil habe für sie keine weiteren Konsequenzen.  Dies kann für die übrigen EU-Staaten nicht gelten, sonst wäre das EuGH-Verfahren eine Farce.  Es klingt merkwürdig, wenn etwa führende Politiker Ungarns über all die Gefahren reden, die von außen drohen und gegen die man das Land und seine christliche Kultur, und auch Europa verteidigen müsse, während die europäischen Grundsätze und Werte offenbar nur sonntags gelten.  Wer als EU-Mitglied in Brüssel viel Geld abholt kann nicht so tun als ob die Verpflichtungen aus den Verträgen für das eigene Land irrelevant seien.  Nach dem EuGH-Urteil muss es Konsequenzen für die verurteilten Länder, u.a. beim EU-Etat für 2021 – 2027 geben.

Der optimistische Blickwinkel

Der dritte, der optimistische Blickwinkel, hat mit den Chancen zu tun, die in der Gestaltung der Zukunft Europas liegen.  Die Europäer haben es unter dem Eindruck zweier furchtbarer Kriege geschafft, ihre Probleme friedlich zu lösen.  Seit 75 Jahren sind Europa solche Katastrophe erspart geblieben – es sind Freundschaften unter den Völkern und den Menschen gewachsen.  Dies macht Mut Europa weiter fortzuentwickeln.  Der Siebenjahres-Haushalt 2021 – 2017 gibt dazu Chancen.  Chancen liegen auch in der Konferenz über die Zukunft Europas, die Rainer Wieland in seiner Betrachtung hoffnungsvoll erwähnt hat.  Vielleicht hat die Corona-Krise einen positiven Effekt und die Einsicht wächst, dass die Länder und Völker Europas ihr Zukunft besser gemeinsam als getrennt und jeder für sich gestalten können.  Als Herausforderung gibt es genug dicke Bretter, die es zu bohren gilt.

Hans Müller, Heilbronn

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